Lehreraustausch zur Anbahnung von
Schulpartnerschaften zwischen Hamburg und Jakutsk
Teil 1 in Jakutsk: 27.04. – 05.05.2014
Warum eigentlich Jakutsk?
Begonnen hat alles mit einem Brief der Abteilung für Internationale Zusammenarbeit des Ministeriums für Außenbeziehungen der Republik Sacha (Jakutien) an den Schulsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, in dem die Leiterin der Abteilung im April 2013 um Vermittlung einer Partnerschule für zwei Schulen aus Jakutsk mit erweitertem Deutschunterricht bat. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit russischen Schulen hat in der Hamburger Schullandschaft eine lange Tradition. Es bestehen vielfältige Kooperationen mit Schulen in St. Petersburg, Moskau und Novosibirsk. Der Ferne Osten Russlands gehörte bisher noch nicht dazu. Die Anfrage aus Jakutsk hat daher sofort mein Interesse geweckt. In einem Gespräch mit dem Leiter des Auslandsreferats der Behörde für Schule und Berufsbildung und der Referentin für den schulischen Bereich der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch wurde vereinbart, dass zur ersten Kontaktaufnahme eine Lehreraustauschreise mit 7 Lehrkräften aus dem Fachseminar Russisch und aus verschiedenen Hamburger Schulen organisiert werden sollte, in deren Rahmen weitere Kooperationsmöglichkeiten zwischen Hamburg und Jakutsk abgestimmt werden könnten. Im November 2013 war die Schulleiterin des Sacha-Gymnasiums in Hamburg und hat im Fachseminar Russisch ihre Schule und die Stadt Jakutsk vorgestellt. Die Eckpunkte der geplanten Kooperation wurden abgestimmt und die konkreten Planungen für die Lehreraustauschreise konnten beginnen.
Die Stadt Jakutsk liegt ca. 10.500 km von Hamburg entfernt in der Autonomen Republik Sacha im Fernen Osten am Fluss Lena. Sie gilt als die kälteste Stadt der Welt, mit Temperaturen von unter -45°C im Winter. Das Sacha-Gymnasium und das Klassische Gymnasium in Jakutsk sind Schulen mit erweitertem Deutschunterricht, an der die Schülerinnen und Schüler das Deutsche Sprachdiplom ablegen können. Mit beiden Schulen in Jakutsk soll eine deutsch-russische Bildungskooperation in einer Region in Russland aufgebaut werden, zu der es noch keine Kontakte von Hamburger Schulen gibt. Sie soll zukünftig für Lehrer- und Schüleraustauschprojekte und auch für Gastschulaufenthalte genutzt werden.
Die Reise in den Fernen Osten
Am Sonntag, den 27. April traten wir, sieben Hamburger Lehrkräfte aus sechs verschiedenen Schulen, die Reise in den Fernen Osten Russlands an. Unter uns fünf Russischlehrkräfte und zwei Lehrer ohne Russischkenntnisse. Mit Deutsch, Geographie, Physik, Englisch und Sport waren neben Russisch verschiedene Fachbereiche beteiligt.
Nach einer 14 stündigen Reise mit 4,5 Stunden Aufenthalt in Moskau landeten wir am Montag, den 28.04. um 10.30 Uhr Ortszeit bei strahlendem Sonnenschein in Jakutsk. Zeugen des gerade zu Ende gehenden Winters waren nur noch das Eis auf der Lena und die graue, noch nicht erwachte Landschaft. Die Temperaturen waren bereits im zweistelligen Plusbereich, nur in einigen Nächten gab es noch leichten Frost. Nach einem herzlichen Empfang am Flughafen und der Aufteilung auf die Gastfamilien, die fast ausschließlich durch Eltern oder auch Großeltern von Schülern der beiden Schulen gestellt wurden, stand zunächst eine kurze Ruhe- und Erholungsphase auf dem Programm, bevor dann um 14.00 Uhr der Empfang im Sacha-Gymnasium stattfand.
In Russland – aber irgendwie nicht (nur) russisch
Die Größe Russlands wurde bereits durch den mehr als sechsstündigen Flug von Moskau nach Jakutsk deutlich, die kulturelle Vielfalt begegnete uns dann spätestens bei dem feierlichen Empfang im Sacha-Gymnasium. Das Gymnasium hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Sprache und Kultur Jakutiens zu erhalten und zu stärken. In den ersten vier Jahren findet der Unterricht ausschließlich auf Jakutisch statt, dann setzt erst der Russisch- und Fremdsprachenunterricht ein. Die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler kommt aus jakutischen Familien und auch die Lehrkräfte haben meist einen jakutischen Hintergrund. Lehrkräfte und Schüler beherrschen natürlich gleichermaßen die russische Sprache, das Jakutische gewinnt jedoch zunehmend an Bedeutung.
Das Sacha-Gymnasium machte auf uns einen hervorragenden Eindruck. Die Unterrichtsräume sind sehr gut ausgestattet, es herrscht eine sehr disziplinierte und bildungsorientierte Atmosphäre und die Lehrkräfte und Schüler haben ein großes Interesse an einem Austausch mit uns. Die Gastfreundschaft, die wir bereits in den ersten Stunden in den Familien erleben durften, zeigte sich auch in der Schule und erwärmte unsere Herzen während des gesamten Programms in Jakutsk.
Auch das Klassische Gymnasium beeindruckte uns sowohl durch das äußere Erscheinungsbild als auch durch die pädagogische Arbeit. Die Schülerinnen und Schüler beider Schulen präsentierten uns Arbeitsergebnisse aus ihren Prüfungen zum Deutschen Sprachdiplom und zeigten sich sehr interessiert an Informationen aus und über Deutschland. Bereits die Besuche an beiden Schulen offenbarten ein großes Potenzial für zukünftige Lehrer- und Schüleraustauschprojekte und weitere Kooperationen im Bildungsbereich. Auch hier im asiatischen Teil Russlands ist das Interesse an Europa und gerade auch an Deutschland und an der deutschen Sprache nach wie vor groß. Viele der Schülerinnen und Schüler äußerten den Wunsch, im Rahmen von Gastschulaufenthalten und/oder Austauschprojekten einmal nach Deutschland zu kommen.
Permafrost, Mammut, Natur und Kultur
Eine Entfernung von 10.500 km und ein Zeitunterschied von acht Stunden sind sicher nicht die einfachsten Bedingungen für Schüler- und Lehreraustauschprojekte. Das vielfältige Programm, dass die Kolleginnen und Kollegen hochengagiert und liebevoll für unseren siebentägigen Aufenthalt zusammengestellt haben, überzeugte aber alle Teilnehmer davon, dass sich eine Bildungskooperation gerade auch aufgrund der kulturellen und landschaftlichen Unterschiede in besonderem Maße lohnt. Geographen und Naturwissenschaftler finden im Permafrost und in den klimatischen Besonderheiten der Region vielfältige Fragestellungen, die auch im Rahmen von schulischen Projekten bearbeitet werden können. Auf diesem Gebiet gibt es bereits eine langjährige enge Zusammenarbeit der Universität Hamburg mit der Region, die in zukünftige schulische Projekte miteinbezogen werden soll. Die sprachliche und kulturelle Vielfalt der Region und auch der Bildungseinrichtungen bietet viele Ansatzpunkte für eine Behandlung im (Fremdsprachen-)Unterricht. Mit Hilfe der russischen Sprache können sich Lehrkräfte und Schüler einen neuen vielfältigen Kulturkreis erschließen und ihren Horizont erweitern. Die europäischen, asiatischen, russischen und jakutischen Einflüsse erzeugen eine hochinteressante kulturelle Mischung, die Ausgangspunkt für schulische Austauschprojekte sein kann. Diverse Museen und außerschulische Bildungseinrichtungen bieten hier hervorragende Möglichkeiten für Projekte und Kooperationen.
Fazit, Dank und Ausblick
Alle Beteiligten sind sich darüber einig, dass die Reise nach Jakutsk ein voller Erfolg war. Die Gastfreundschaft, Herzlichkeit und das Engagement der beteiligten Lehrkräfte und auch der Gastfamilien waren überwältigend. Das Programm bot einen vielfältigen Einblick in Leben und Kultur in Jakutsk und lieferte viele Anregungen für zukünftige Lehrer- und Schülerprojekte, von denen beide Seiten profitieren können.
Unser besonderer Dank gilt der Schulleiterin Valentina Sofroneeva und der Deutschlehrerin Svetlana Klimova für die Vorbereitung des ersten Lehreraustausches zwischen Hamburg und Jakutsk sowie allen beteiligten Lehrkräften des Sacha-Gymnasiums und des Klassischen Gymnasiums und den Gastfamilien für die herzliche Aufnahme und engagierte Begleitung während des Programms. Darüber hinaus danken wir der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch und der Behörde für Schule und Berufsbildung für die finanzielle Unterstützung der Lehreraustauschreise.
Der Gegenbesuch der Lehrergruppe aus Jakutsk ist für November 2014 geplant. Während des Aufenthalts in Hamburg sollen neben dem kulturellen Programm zukünftige Kooperationen zwischen den beteiligten Schulen geplant werden. Der erste Schüleraustausch ist für Sommer 2015 vorgesehen. Bereits in der Vorbereitung der Lehrerreise nach Jakutsk hat sich ein weiteres Standbein der Kooperation zwischen Hamburg und Jakutsk ergeben. Drei Schülerinnen und ein Schüler vom Sacha-Gymnasium, die für einen zweimonatigen Gastschulaufenthalt im Rahmen des Programms „Gastschüler in Deutschland“ ausgewählt wurden, sind in Hamburger Gastfamilien untergekommen und haben von Anfang Mai bis Anfang Juli an vier verschiedenen Hamburger Schulen den Unterricht besucht. Zum Abschluss ihres Aufenthalts sind sie im Rahmen des 8. Russischen Schuljahresabschlusses mit einem Musikstück auf der Maultrommel im Ernst Deutsch Theater aufgetreten. Wir hoffen, dass wir im kommenden Jahr noch mehr Gastschüler aus Jakutsk in Hamburg aufnehmen können und sich vielleicht auch Hamburger Schüler für einen Aufenthalt in Jakutsk finden lassen.
Die Bildungskooperation zwischen Hamburg und Jakutsk ist erfolgreich gestartet. Hamburg hat ein neues Ziel für deutsch-russische Schulpartnerschaften.
Mathias Burghardt
Länderkoordinator Russland
Freie und Hansestadt Hamburg
Behörde für Schule und Berufsbildung
Auslandsreferat
Mail: mathiasburghardt@t-online.de